In unserer komplexer werdenden Welt werden Veränderungen immer häufiger notwendig. Die Fähigkeit dazu ist nicht mehr nur ein Wettbewerbsvorteil an den Märkten, sie ist heute ebenso wichtig wie die richtigen Mitarbeiter und erfolgreiche Produkte um wirtschaftlich zu überleben.
Einige Unternehmen haben ihre Veränderungsfähigkeit in ihrer Grundstruktur eingebaut und leben einen kontinuierlichen Wandel. Die damit entstehende hohe Agilität kann jedoch auch bestimmte Kunden verschrecken und ist schwer zu beherschen.
In vielen Branchen werden aufgrund historischer Entwicklungen oder der Eigenheiten von Produkten stabile traditionelle Strukturen bevorzugt. Diese Stabilität wird auch von Lieferanten und Kunden erwartet und als eine Form der Verlässlichkeit interpretiert. Auch in solchen Branchen und Unternehmen werden immer wieder Veränderungen erforderlich. Um diese einzuführen werden oft Change-Prozesse in Form von Projekten durchgeführt. Trotz professionellen Change Management ist dennoch leider die Mehrheit solcher Change-Projekte nicht so erfolgreich wie gehofft.
Welche Faktoren fördern den Erfolg solcher Projekte.
Im Gegensatz zu Kunden- und Entwicklungsprojekten wirken Change-Projekte nur wenig auf der technischen Seite, also an einem Produkt oder einer Dienstleistung. Statt also auf einem eher sächlichen Objekt liegt der Fokus eines Change-Projektes auf Menschen, also auf den betroffenen Mitarbeitern und deren Verhalten, und das über alle Hierarchie-Ebenen.
Change fängt in den Köpfen und Herzen an. Statt an einem relativ rationalen Objekt zu arbeiten, also faktisch nur „sendend“ tätig zu sein, ist in einem Change-Projekt jeder Mitarbeiter „empfangend“ betroffen und erfordert dadurch eine Bereitschaft zur Selbstveränderung.
Damit beinhaltet Change viel Psychologie, ohne dabei die betriebswirtschaftlichen Aspekte und ggf. technische Fragen außer acht lassen zu dürfen. Solche Veränderung findet immer in dem sozialen Systems statt, dass sich im Unternehmen durch die Mitarbeiter gebildet hat und gleichzeitig verändert es dieses wiederum auch.
Damit wird die Betrachtung des bestehenden Systems wesentlich, ebenso wie die Beachtung der Gesetze dieses Systems.
Firmenkultur anerkennen
Das Wort Unternehmenskultur gehört in vielen Unternehmen zu einem sehr häufig gebrauchten Wort. Die Firmenkultur ist wesentlicher Teil des sozialen Systems, aber in vielen Unternehmen gibt es eine Diskrepanz zwischen der gelebten und der definierten Unternehmenskultur (vorrausgesetzt, diese ist überhaupt definiert, dokumentiert und bekannt).
Um einen Change – Prozess erfolgreich durchführen zu können muss dieser in die gelebte Kultur eingebettet sein. Hierzu muss aber die Wirklichkeit dieser Unternehmenskultur bewußt und verfügbar sein. In vielen Abteilungen folgen z.B. die Mitarbeiter den Grundeinstellungen ihres Vorgesetzten, die zwar nie notiert wurden, aber in jedem Kopf wie Glaubenssätze präsent sind, unabhängig davon, ob diese mit der offiziellen Firmenkultur übereinstimmen.
Es macht also Sinn, mit Hilfe von standardisierten und anonymisierten Fragebögen die Realität des Systems, deren Abläufe und Prozesse, sowie deren Wahrnehmung durch die Mitarbeiter abzufragen. Nur so kann ein Verständnis für das gelebte System und die Mitarbeiter erreicht werden, das es ermöglicht die richtigen Impulse für die Veränderung zu setzen und ggf. als einen wesentlichen Teil des Veränderungsprozesses die reale Kultur in Richtung der gewünschten Kultur zu bewegen.
Veränderung beginnt oben
Erfolgreiche Change-Initiativen starten nahezu immer im Top-Management.
Jede Unternehmensebene orientiert sich üblicherweise an der über ihr stehenden Managementebene und versucht diese durch ihr Handeln zufrieden zu stellen. Dieses ist ein Grundprinzip hierarchischer Systeme, wie wir sie in nahezu allen Unternehmen haben. Diese Strukturen sind, wenn auch weniger sichtbar, auch in Unternehmen mit agilen Strukturen vorhanden und meist genauso wirksam. Das Handeln orientiert sich also weniger an den Vorgaben als an den wahrgenommenen Zielen und Werten der jeweils höheren Managementebene(n).
Wenn aber wahrgenommen wird, dass auf dieser Ebene andere Dinge deutlich wichtiger als die gewünschte Veränderung sind, dann wird automatisch auch wahrgenommen, dass die gewünschte Veränderung nachrangig ist, ihre Umsetzung also nur wenig Nachdruck erhält. Die Mitarbeiter werden sich auf die Themen konzentrieren, die sie als wichtiger wahrnehmen. (und womit sie letztendlich auch die Erwartungen Ihrer Vorgesetzten an ihr Verhalten erfüllen)
Um Veränderungen tatsächslich umzusetzen, ist es also erforderlich, dass sich eine Gruppe von Managern aus den Topebenen explizit um das Change-Thema kümmert und die Veränderung vorlebt und innerhalb der Führungskräfte treibt. Die Mitglieder dieser Gruppe müssen untereinander gut abgestimmt sein, um als eindeutig wahrgenommen zu werden. Die gewünschte Veränderung muss von diesen kontinuierlich kommuniziert werden und sich im Handeln wiederfinden lassen. Wird diese Kommunikation bidirektional gelebt, wird das Zuhören und die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern ermöglichen, schon frühzeitig Fehlentwicklungen zu erkennen und ggf. Einfluss zu nehmen. Andererseits ermöglicht dieses es den Verantwortlichen auch neue Ideen aufzunehmen und ggf. das Ziel anzupassen.
Visionen
Aussagen wie „Meine Vision für das nächste Geschäftsjahr ist ein Wachstum von 3% über dem Marktdurchschnitt und einer Reduzierung der NCC um 33%“ sind durchaus verständlich. Vielleicht lösen sie, bestimmt für die Ohren der Analysten, auf einer Bilanzpressekonferenz auch Emotionen aus.
Dem Gros der Mitarbeiter bietet diese abstrakte Ebene daber keine greifbare Emotion.
Wer also das ganze Unternehmen einbinden will, muss Geschichten und Bilder vermitteln, die verstanden werden und vorstellbar sind.
„Wir haben es in diesem Jahr geschafft mit ProdX ein neues und sehr innovatives Produkt zu entwickeln und es unseren Stammkunden präsentiert. Da diese daran sehr interessiert sind, werden wir im kommenden Jahr ProdX bei diesen Kunden einsetzen und damit ProdX in der Öffentlichkeit bekannt machen. Gehen Sie also davon aus, dass ab Sommer die positive Berichterstattung über ProdX in Presse und im Fernsehen ein Hauptthema in den Gesprächen mit Ihren Freunden sein wird.“
Aus der eher rationalen Antwort auf die Frage „Was bewirkt die Veränderung für das Unternehmen“ könnte so eine Antwort auf die emotionalen Fragen „Was bringt die Veränderung mir bzw. meinem Team“ werden. In den Antworten auf letztere Fragen finden die Mitarbeiter sich wieder.
Einbinden
Veränderungen, die von oben angewiesen werden, funktionieren selten. Der Großteil der Kollegen wird ihr Verhalten nur aufgrund von Anweisungen nicht ändern.
Das Einbinden der Mitarbeiter, die Abfrage und Wertschätzung derer Meinung hilft die Veränderung möglich zu machen. Dieses insbesondere dann, wenn die Wertschätzung dadurch verdeutlicht wird, dass die Meinungen und Ideen der Mitarbeiter sichtbar in den Veränderungsprozess zurückfließen. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass die Kollegen in Produktion und Entwicklung oder Kollegen mit Kundenkontakt viel Wissen über die Notwendigkeiten und Verbesserungsmöglichkeiten haben, dieses aber nur selten genutzt wird.
Auch ist es als ein Zeichen der Wertschätzung wichtig, regelmäßig Ergebnisse und Schwierigkeiten in die Belegschaft zurückmelden. Dabei sollte dieses aber nicht zu einer Routine erstarren. So sind zwar regelmäßige Informationsrunden gut, aber auch das Eintreten einer Indikation oder das Ausbleiben einer erwarteten Indikation als Anlass zu nehmen, dieses zu kommunizieren und darüber zu sprechen, was daraus abzuleiten ist, hält die Kommunikation lebendig und ehrlich.
Hierzu können auch formelle Motivatoren wie etwa neue Belohnungssysteme und ergänzende Schulungen gehören. Im besten Fall basieren diese Schulungen auf einem Bedarf, der von den Mitarbeitern adressiert wurde.
Kontinuierliches Voranschreiten
Change-Initiativen sterben, wenn sie nicht gepflegt und „ernährt“ werden. Treten Pausen im Prozess ein, werden alte Verhaltensweisen zurückkehren und Dominanz entwickeln. Um dieses zu verhindern muss der Chnace im Gespräch und die Ziele im Bewusstsein bleiben. Halbformelle, spontane „Frühstücksrunden“, firmeninterne Weiterbildungsmaßnahmen und die Präsenz von Führungskräften in Kaffeeecken und zwischen den Schreibtischen oder in den Werkstätten sind gut geeignet den Change am Leben zu erhalten und Informationen dazu auszutauschen.
Auch in Change-Projekten gilt, dass sowohl der Fortschritt als auch der Erfolg überprüft und ggf. die Aktivitäten oder sogar die Richtung angepasst werden muss.
Wird den Meinungen und dem Wissen der Mitarbeiter Wertschätzung entgegengebracht, wird auch schnell deutlich, wo die Veränderung „erkrankt“. Hier können auch interne Umfragen unterstützen. Sie sind aber immer nur additiv einzusetzen, da, wenn sie Ersatz für direkte bidirektionale Kommunikation sind, sie immer als ein Zeichen fehlender Wertschätzung wahrgenommen werden. Auch gehen in Umfragen viele Aspekte verloren. Je nach Art der Fragestellung (offen, geschlossen) und der von den Mitarbeitern aufgewandten Zeit, werden immer nur Teilaspekte der Kommunikation abgebildet.
Informelle Führer in den Teams sind ein weiterer Schlüssel die Veränderung am Leben zu erhalten. Dieses sind Kollegen ohne formelle Leitungsfunktion, die aber Charisma und Autorität aus ihrer Vita mitbringen, sei es aufgrund ihrer langen Zugehörigkeit zum Team, sei es aufgrund fachlich herausragender Kompetenz oder aufgrund persönlicher Charaktermerkmale. Gelingt es einige dieser für den Change einzunehmen, so bringen diese den Change mit Elan voran.