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Die projektgetriebene Organisation – Was unterscheidet das Projektgeschäft?

Projektgeschäft vs. Produktgeschäft

Wie tickt unsere Wirtschaft?

Unsere Wirtschaft wird auch 200 Jahre nach Beginn der industriellen Revolution von klassisch produzierenden Unternehmen dominiert. Jedoch steigt der Anteil der Wertschöpfungen in Form von Dienstleistungen und in Form von Projekten stetig.

Sicherlich sind nur wenige Unternehmen eindeutig nur einer diesen Wertschöpfungformen zuzuordnen. In den meisten Unternehmen finden wir mehr als eine Form vor und viele Geschäftsansätze durchlaufen in verschiedenen Phasen alle diese Formen der Wertschöpfung. Dennoch finden wir in den meisten Unternehmen einen geschäftstypischen Schwerpunkt vor.

Die Besonderheiten der Wertschöpfung in Form von Dienstleistungen und Service sind leicht abgrenzbar. Auf den ersten Blick gilt dieses auch für den Unterschied zwischen dem klassischen Produktgeschäft und dem Projektgeschäft.

Dennoch erfolgt die prozessuale Abwicklung der Wertschöpfung in Projekten in vielen Unternehmen in ähnlicher Form wie die Abwicklung der Wertschöpfung durch Produkte. Insbesondere wird die Unterscheidung im Randbereich zwischen dem Projektgeschäft und der Fertigung von Kleinserien oder Einzelstücken schwierig.

Durch die neuen digitalen Möglichkeiten wird Produktion heute immer flexibler. Wo einst Henry Ford sagte, man könne sein Model T in jeder beliebigen Farbe erwerben, sofern diese denn schwarz wäre, bietet sich uns heute die Möglichkeit unser neues Fahrzeug aus einer schier endlosen Liste von Optionen individuell zu konfigurieren. Bücher werden „onDemand“ produziert und Kleidung via Web Online maßgefertigt. Ist aber der Kauf und damit der Auftrag zur Produktion dieses individualisierten Fahrzeuges oder eines Abendkleides somit ein Projektauftrag?

Was sagen unsere Normen dazu

Nach DIN Norm 69901 versteht man unter einem Projekt „ein Vorhaben, das im Wesentlichen durch die Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit gekennzeichnet ist, z. B. hat die Zielvorgabe:

    1. zeitliche, finanzielle, personelle und andere Begrenzungen,
    2. Abgrenzung gegenüber anderen Vorhaben,
    3. Eigene projektinterne Organisation

Somit können wird diese Frage eindeutig verneinen.  Der Hersteller bietet zwar eine extrem hohe Varianz von Konfigurationen an und das Produkt ist damit individuell und vielleicht sogar einmalig, die Herstellung des von uns konfigurierten Fahrzeuges ist aber ein genau beschriebener und routiniert abzuwickelnder, wenn auch hoch komplizierter Vorgang, der jedoch in einem professionellen Werk jeden Tag beliebig oft wiederholt wird. Aus einer großen Anzahl von lagernden oder bestellbaren normierten Teilen entsteht nach und nach das von uns bestellte Fahrzeug. Der Produktionsprozess ist vollständig beschrieben, Neuentwicklungen finden dabei nicht statt. (Mal abgesehen von Optimierungen des Prozesse). Ebenso sind alle Produktionsschritte eines Maßanzuges genau vorgegeben.

Was macht eine individualisierte Bestellung zu einem Projekt.

Laut dem Gabler Wirtschaftlexikon ist „Ein Projekt … eine zeitlich befristete, relativ innovative und risikobehaftete Aufgabe von erheblicher Komplexität, die aufgrund ihrer Schwierigkeit und Bedeutung meist ein gesondertes Projektmanagement erfordert.“

Hieraus läßt sich die Unterscheidung zwischen Projekt- und Produktgeschäft gut ableiten. Projekte unterscheiden sich von anderen Geschäftsmodellen insbesondere in der Dauer der Phase der „Unsicherheit“ hinsichtlich optimalen des wirtschaftlichen Handelns.  

Machen wir also eine Analyse nach diesen Kriterien:

Betrachtung und Analyse

Betrachtung des Produktgeschäftes

Im Produktgeschäft werden Produkte, ggf. mit Varianten, entwickelt und danach am Markt platziert. Die Kosten für die Entwicklung werden im Regelfall in vollem Umfang vorfinanziert.

Entscheidungen während der Entwicklung führen ggf. zur Abschreibung von bereits investierten Mitteln (sunk costs) oder erhöhen den geplanten Aufwand. Das Produkt wird aufgrund dieser Entscheidungen ggf. gegenüber der ursprünglichen Idee veränderte Funktionen oder ein abweichendes Design haben. Einen Einfluss auf diese Entscheidungen haben die Kunden jedoch nur sehr selten.

In bestimmten Fällen kann die Entwicklung sogar abgebrochen werden. Der potenzielle Kunde hat keine Möglichkeit die Fertigstellung der Entwicklung zu erzwingen oder auf bestimmte Eigenschaften zu bestehen.

Im Produktgeschäft tritt der Kunde im Regelfall erst in Vertragsverhältnis ein, wenn die Entwicklung abgeschlossen und das Produkt verfügbar ist. Verfügbar bedeutet in diesem Sinne, dass das Produkt entweder bereits produziert wurde (COTS / Lagerware) oder der Weg es zu produzieren genau bekannt ist und es auf Bestellung hergestellt wird. Auch werden im Regelfall die Konditionen des Vertrages weitestgehend seitens des Herstellers oder des Lieferanten vorgegeben.

Risiko und Ziele

Das wirtschaftliche Risiko besteht daher in erster Linie in der Frage, ob die Investitionen in die Marktforschung, in die Entwicklung, für das Marketing und für die Produktionsanlagen sich am Markt durch den realisierbaren Umsatz amortisieren lassen.

Eine vertragliche Verpflichtung des Produktlieferanten gegenüber dem Kunden entsteht erst dann, wenn die Kunden für das Produkt Kaufverträge abschließen. Das Produkt kann nun beliebig oft und ohne neue (Entwicklungs-)Investitionen reproduziert werden.

Der Fokus des wirtschaftlichen Handelns wird in der Zukunft auf dem Vertrieb und Produktionskosteneinsparung liegen.

Wie sieht nun der Ablauf im Projektgeschäft aus?

Im Projektgeschäft erfolgt die Entwicklung der Lösung erst nach Erteilung des Auftrages durch den Kunden, also nach Abschluss eines Vertrages. Mit dem Vertragsabschluss ist grundsätzlich definiert, was für ein Produkt (z.B. was für eine Anlage, was für ein IT-Programm) der Kunde erwartet, was dieses Produkt leisten muss, wann er es erhält und auch zu welchem der Preis. Die Vertragskonditionen werden zwischen Kunde und Lieferant ausgehandelt. Je nach Marktmacht fallen diese zugunsten oder zulasten der Parteien aus.

Der Vertrag zur Durchführung des Projektes wird also zu einem sehr frühen Zeitpunkt abgeschlossen, zu dem mit der Entwicklung des zu liefernden Objektes gerade erst konzeptionell begonnen wurde.

Auf Basis dieses Vertrages wird die Abwicklung des Projektes geplant. Dabei sind der vertragliche Zeitrahmen und das finanzielle Vertragsvolumen die wesentlichen Eckpunkte, die im Projektplan abgebildet werden müssen.

Wie das Produkt jedoch konkret später im Detail aussieht und auf welchem Weg es zu realisieren ist, wird sich erst im Rahmen des Projektes entwickelt ergeben. Ein Abbruch dieser Entwicklung aufgrund von Schwierigkeiten, wie technischen, logistischen oder terminlichen Herausforderungen, ist im Regelfall vertraglich ausgeschlossen. Dieses beinhaltet oft sogar den weitgehenden Ausschluss des Einflusses von force-majeure oder cas-fortuit Ereignissen.

Während der gesamten Entwicklungsphase sind die Spezifikationen des Vertrages einzuhalten oder falls dieses nicht möglich oder unsinnig ist, der Vertrag nachzuverhandeln. Damit ist die Durchführungsphase sehr dynamisch, eben ein klassisches Projekt. Die Phase der durch den Vertrag erzwungenen wirtschaftlichen Unsicherheit ist sehr lang und endet erst mit der Übergabe des Projektergebnisse an den Kunden.

Im Gegensatz zum Produktgeschäft wird im Regelfall diese lange Phase jedoch seitens der Kunden durch Anzahlungen bei Erreichen bestimmter Meilensteine mitfinanziert.

Das mit Vertragsabschluss definierte Volumen und der definierte Leistungsumfang führen zu einer Ausrichtung des wirtschaftlichen Handelns auf die Vermeidung von Kostensteigerungen gegenüber der Planung.

Das Projektergebnis wird im Regelfall nur einmalig (oder in einer sehr kleinen Serie) gefertigt bzw. realisiert und kann, (bzw. darf) nur selten in anderer Form oder bei anderen Kunden verwertet werden.

Eine Gegenüberstellung in Kürze

Produktgeschäft

Projektgeschäft

Anbieter entwickelt und produziert Produkte für einen allgemeinen Markt

Anbieter verspricht Lösung für einen Bedarf auf Anfrage eines Nachfragers

Nachfrager haben einen grundsätzlichen Bedarf nach Produkten

Nachfrager hat Bedarf nach spezifischer Lösung

Nachfrager wählt unter angebotenen Produkten

Nachfrager wählt unter möglichen Dienstleistern

Angebote wie COTS, Katalog, Konfigurator

Lösung einzigartig und spezifisch

Vertrag entsteht nach Auswahl eines konkreten Produktes

Konkrete Lösungen entstehen nach Vertragsabschluss

Mit Vertrag ist Lieferumfang en-Detail bekannt

Mit Vertragsabschluss beginnt die Entwicklung

Material, Ressourcen, Equipment liegen auf Vorrat

Bedarf an Material, Ressourcen und Equipment folgt aus Auftrag

Produktionsprozess ist en-Detail bekannt

Umsetzungsprozess nur im Grundsatz bekannt

Grundproblem:
Vertriebserfolg passend zur Produktionskapazität und Investition

Grundproblem:

Leistungserbringung im Rahmen von Zeit und Kosten gem. Vertrag.

 

Fazit

Obwohl von den Mitarbeitern meist ähnlich wahrgenommen und aus globaler betriebswirtschaftlicher Sicht vergleichbar, sehen wir doch die wesentlichen Unterschiede. Diese führen dazu, dass Ausrichtung des wirtschaftlichen Handelns sich unterscheidet.

Im Produktgeschäft liegt, je nach Erfolg des Produktes, die Optimierung des Marketings mit dem Ziel der Umsatzsteigerung und/oder die Optimierung der Produktion mit dem Ziel der Stückkostenminimierung im Vordergrund.

Im Projektgeschäft steht dagegen die Vermeidung eines Anstiegs der geplanten Kosten unter Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen im Vordergrund.

Will man diesen Unterschieden gerecht zu werden, so muß dieses Folgen für die organisatorische Aufstellung des Unternehmens und die im jeweiligen Bereich vorherschende Unternehmenskultur haben.

In meinem nächsten Blog werde ich auf diese Fragestellung eingehen und Kriterien vorstellen, nach denen Unternehmen auf diese Frage hin klassifiziert werden können.

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